Peter Gahn
ink, colours and gold on paper III - surroundings 1+2
Schlagzeug, Flöte und Violoncello und Live-Elektronik
(2005/6)
11 min
Edition Juliane Klein
GEMA-Nr: 10076579
Aufführungen
- UA: ensemble:hörsinn, Münster, 11.11.2007
Aufnahmen
- Deutschlandfunk, ensemble:hörsinn, 2007, Münster
Programmtext
Die Werkgruppe "ink, colours and gold on paper II/III -
surroundings 1/2“ ist inspiriert von Bildern der Malerei und Formen der
über 1000 Jahre alten japanischen Orchestermusik Gagakumusik. Sie ist das
erste, was seit meinem fast 8jährigem Aufenthalt in Japan wieder in
Deutschland entstand und steht stark unter dem Eindruck der Kultur Japans und
der neuen Erfahrung meiner ursprünglich eigenen Kultur Deutschlands/Europas.
Paul Gauguins, seit seinem Aufenthalts auf Tahiti entstandene Bilder, kurz
vor meinem Umzug nach Japan von mir zum ersten Mal im Original gesehen,
hinterließen mit ihren klar strukturierten magischen Farbflächen auf mich
einen starken Eindruck und ließen mich nach Vergleichbarem in der Musik
suchen. Ähnliches fand ich auch in der jap. Malerei, speziell in Bildern des
Künstlers Tawaraya Sotatsu, der im 17. Jahrhundert in Kyoto wirkte. Diese
Bilder haben einen flächigen Hintergrund aus Blattgold, durch den die
aufgetragenen Deckfarben (wie bei Gauguin teilweise in mehreren Schichten
übereinander aufgetragen) sich klar von diesem abgrenzen und leuchtend
hervortreten. Der das Bild beherrschende Hintergrund überstrahlt alles und
schließt gleichzeitig den Raum des Bildes zweidimensional ab. Es gibt keine
Zentralperspektive, die den Betrachter aus dem Bild heraus leitet, sondern
der Hintergrund entmaterialisiert sich durch seine strahlende
Ausdrucklosigkeit quasi selber und gibt dem Betrachter die Möglichkeit und
den Anstoß dazu, über den sich dahinter befindenden, nicht einsehbaren Raum
frei zu assozieren. Manchmal verdecken goldene Wolken große Teile der
farbigen Bereiche und lassen so den Hintergrund mit dem Vordergrund
verschmelzen und ebenso über die verdeckten farbigen Bereiche unter den
Wolken frei assoziieren. Da auch die farbigen Objekte in keiner
hierarchischen Ordnung wie der Zentralperspektive, sondern in der sogenannten
Parallelperspektive gleichberechtigt nebeneinander angeordnet sind, erlaubt
dies dem Betrachter, den Blick, ohne von einem zentralen Objekt angezogen zu
werden, von jedem beliebigen Platz ausgehend, auf dem Bild frei schweifen zu
lassen. Auch in diesem Stück gibt es keinen Teil, der in allen Bereichen den
anderen gegenüber herausragt. Jeder Teil hat ein besonderes Moment und
besitzt somit die Möglichkeit, von einem Hörer, als der für ihn
bedeutendste gehört zu werden, wodurch die anderen Teile in Relation zu
diesem wahrgenommen werden. Wie in der Gagakumusik jede Instrumentengruppe
die gleiche, einzige Melodie des Stückes auf seine eigene Art und Weise ganz
verschieden realisiert und so diese mit seinen Möglichkeiten am besten
darstellen kann, kann dieses Stück auch aus mehreren Perspektiven gezeigt
werden. Diese Perspektiven sind "ink, colours and gold on paper II" für
Akkordeon und "ink, colours and gold on paper III" für Schlagzeug, 2
Stücke, die einzeln, oder auch gleichzeitig gespielt werden können. Dazu
können noch 2 Umgebungen kommen, „surroundings 1“ für Liveelektronik
und/oder „surroundings 2“ für Flöte und Violoncello. Die insgesamt 12
Möglichkeiten dieser musikalischen Idee werden wie alle Werke durch die
Möglichkeiten der musikalischen Interpretation ins unendliche
multipliziert.
(Peter Gahn)