Peter Gahn
ink, colours and gold on paper II+III - surroundings 2
Akkordeon, Schlagzeug, Flöte und Violoncello
(2005/7)
10 min
Edition Juliane Klein
GEMA-Nr: 10048134
Aufführungen
- UA: Eva Zöllner, Junichiro Taku, Tomoki Tai, Rie Watanabe, OAG-Halle, Tokio 2005
- DE: ensemble reflexion K,
Japanisch Deutsches Zentrum Berlin, 2007 (UA revidierte Fassung)
ensemble refexion K © Japanisches Kulturinstitut Köln 2007
Programmtext
Die Werkgruppe "ink, colours and gold on paper II/III -
surroundings 1/2“ ist inspiriert von Bildern der Malerei und Formen über
1000 Jahre alten japanischen Orchestermusik Gagakumusik. Sie ist das erste, was
seit meinem fast 8jährigem Aufenthalt in Japan wieder in Deutschland entstand
und steht stark unter dem Eindruck der Kultur Japans und der neuen Erfahrung
meiner ursprünglich eigenen Kultur Deutschlands/Europas.
Paul Gauguins, seit seinem Aufenthalts auf Tahiti entstandene Bilder, kurz vor
meinem Umzug nach Japan von mir zum ersten Mal im Original gesehen,
hinterließen mit ihren klar strukturierten magischen Farbflächen auf mich
einen starken Eindruck und ließen mich nach Vergleichbarem in der Musik
suchen. Ähnliches fand ich auch in der jap. Malerei, speziell in Bildern des
Künstlers Tawaraya Sotatsu, der im 17. Jahrhundert in Kyoto wirkte. Diese
Bilder haben einen flächigen Hintergrund aus Blattgold, durch den die
aufgetragenen Deckfarben (wie bei Gauguin teilweise in mehreren Schichten
übereinander aufgetragen) sich klar von diesem abgrenzen und leuchtend
hervortreten. Der das Bild beherrschende Hintergrund überstrahlt alles und
schließt gleichzeitig den Raum des Bildes zweidimensional ab. Es gibt keine
Zentralperspektive, die den Betrachter aus dem Bild heraus leitet, sondern der
Hintergrund entmaterialisiert sich durch seine strahlende Ausdrucklosigkeit
quasi selber und gibt dem Betrachter die Möglichkeit und den Anstoß dazu,
über den sich dahinter befindenden, nicht einsehbaren Raum frei zu
assozieren.
Manchmal verdecken goldene Wolken große Teile der farbigen Bereiche und lassen
so den Hintergrund mit dem Vordergrund verschmelzen und ebenso über die
verdeckten farbigen Bereiche unter den Wolken frei assoziieren. Da auch die
farbigen Objekte in keiner hierarchischen Ordnung wie der Zentralperspektive,
sondern in der sogenannten Parallelperspektive gleichberechtigt nebeneinander
angeordnet sind, erlaubt dies dem Betrachter, den Blick, ohne von einem
zentralen Objekt angezogen zu werden, von jedem beliebigen Platz ausgehend, auf
dem Bild frei schweifen zu lassen.
Auch in diesem Stück gibt es keinen Teil, der in allen Bereichen den anderen
gegenüber herausragt. Jeder Teil hat ein besonderes Moment und besitzt somit
die Möglichkeit, von einem Hörer, als der für ihn bedeutendste gehört zu
werden, wodurch die anderen Teile in Relation zu diesem wahrgenommen werden.
Wie in der Gagakumusik jede Instrumentengruppe die gleiche, einzige Melodie des
Stückes auf seine eigene Art und Weise ganz verschieden realisiert und so
diese mit seinen Möglichkeiten am besten darstellen kann, kann dieses Stück
auch aus mehreren Perspektiven gezeigt werden. Diese Perspektiven sind "ink,
colours and gold on paper II" für Akkordeon und "ink, colours and gold on
paper III" für Schlagzeug, 2 Stücke, die einzeln, oder auch gleichzeitig
gespielt werden können. Dazu können noch 2 Umgebungen kommen, „surroundings
1“ für Liveelektronik und/oder „surroundings 2“ für Flöte und
Violoncello. Die insgesamt 12 Möglichkeiten dieser musikalischen Idee werden
wie alle Werke durch die Möglichkeiten der musikalischen Interpretation ins
unendliche multipliziert.
(Peter Gahn)