Peter Gahn
ink, colours and gold on paper II+III
Akkordeon, Schlagzeug
(2005/6)
10 min
Edition Juliane Klein
Programmtext
Die Werkgruppe "ink, colours and gold on paper II/III -
surroundings 1/2“ ist inspiriert von Bildern der Malerei und Formen über
1000 Jahre alten japanischen Orchestermusik Gagakumusik. Sie ist das erste,
was seit meinem fast 8jährigem Aufenthalt in Japan wieder in Deutschland
entstand und steht stark unter dem Eindruck der Kultur Japans und der neuen
Erfahrung meiner ursprünglich eigenen Kultur Deutschlands/Europas.
Paul Gauguins, seit seinem Aufenthalts auf Tahiti entstandene Bilder, kurz
vor meinem Umzug nach Japan von mir zum ersten Mal im Original gesehen,
hinterließen mit ihren klar strukturierten magischen Farbflächen auf mich
einen starken Eindruck und ließen mich nach Vergleichbarem in der Musik
suchen. Ähnliches fand ich auch in der jap. Malerei, speziell in Bildern des
Künstlers Tawaraya Sotatsu, der im 17. Jahrhundert in Kyoto wirkte. Diese
Bilder haben einen flächigen Hintergrund aus Blattgold, durch den die
aufgetragenen Deckfarben (wie bei Gauguin teilweise in mehreren Schichten
übereinander aufgetragen) sich klar von diesem abgrenzen und leuchtend
hervortreten. Der das Bild beherrschende Hintergrund überstrahlt alles und
schließt gleichzeitig den Raum des Bildes zweidimensional ab. Es gibt keine
Zentralperspektive, die den Betrachter aus dem Bild heraus leitet, sondern
der Hintergrund entmaterialisiert sich durch seine strahlende
Ausdrucklosigkeit quasi selber und gibt dem Betrachter die Möglichkeit und
den Anstoß dazu, über den sich dahinter befindenden, nicht einsehbaren Raum
frei zu assozieren.
Manchmal verdecken goldene Wolken große Teile der farbigen Bereiche und
lassen so den Hintergrund mit dem Vordergrund verschmelzen und ebenso über
die verdeckten farbigen Bereiche unter den Wolken frei assoziieren. Da auch
die farbigen Objekte in keiner hierarchischen Ordnung wie der
Zentralperspektive, sondern in der sogenannten Parallelperspektive
gleichberechtigt nebeneinander angeordnet sind, erlaubt dies dem Betrachter,
den Blick, ohne von einem zentralen Objekt angezogen zu werden, von jedem
beliebigen Platz ausgehend, auf dem Bild frei schweifen zu lassen.
Auch in diesem Stück gibt es keinen Teil, der in allen Bereichen den anderen
gegenüber herausragt. Jeder Teil hat ein besonderes Moment und besitzt somit
die Möglichkeit, von einem Hörer, als der für ihn bedeutendste gehört zu
werden, wodurch die anderen Teile in Relation zu diesem wahrgenommen werden.
Wie in der Gagakumusik jede Instrumentengruppe die gleiche, einzige Melodie
des Stückes auf seine eigene Art und Weise ganz verschieden realisiert und
so diese mit seinen Möglichkeiten am besten darstellen kann, kann dieses
Stück auch aus mehreren Perspektiven gezeigt werden. Diese Perspektiven sind
"ink, colours and gold on paper II" für Akkordeon und "ink, colours and gold
on paper III" für Schlagzeug, 2 Stücke, die einzeln, oder auch gleichzeitig
gespielt werden können. Dazu können noch 2 Umgebungen kommen,
„surroundings 1“ für Liveelektronik und/oder „surroundings 2“ für
Flöte und Violoncello. Die insgesamt 12 Möglichkeiten dieser musikalischen
Idee werden wie alle Werke durch die Möglichkeiten der musikalischen
Interpretation ins unendliche multipliziert.
(Peter Gahn)