Gewölle

Tänzer, Violoncello, Stimme, Live-Elektronik, Seilchenspringer

(2008)
50 min
Choreographie: Andreas Simon
LichtBildGestaltung: Ludger F. J. Schneider
Bühne: Dusanka Grabovac
Edition Juliane Klein

Aufführungen

  • UA: Andreas Simon (Tanz), Mathias Hudelmayer (Cello), Susanne Weins (Stimme), Mitglieder des South Side Boxing Gym (Seilchenspringer) im Rahmen von "MOVE! - Krefelder Tage für modernen Tanz", Fabrik Heeder, November 2008

Andreas Simon, Fabrik Heeder, Krefeld, 2008

Programmtext

"Gewölle" ist eine Tanzperformance der Begegnung; genauer: der Folgen von Begegnungen. Druckpunkte, Irritationen, Verhaltensstörungen, Einschreibungen, Verletzungen, Wunden, Erinnerungen –
keine Begegnung bleibt folgenlos, keine Begegnung bleibt ohne Spur. Die Summe der Begegnungen ist das Gespinst, das Nest, das Gewölle, das uns umgibt. Alle Affekte, jede leibliche Spur der Begegnung, jedes Gefühl findet seinen komprimierten Ausdruck in diesem Raum des Nachhalls – im Gewölle, das alles Vorherige mit sich trägt, unverbunden verbunden, unverwoben verwoben.
Gewölle ist das bereits Verdaute. Alles existiert in einer festen Struktur, ist transformiert. Dennoch ist alles immer noch les- und tastbar, hat seine Eigenart nicht verloren. Das Gewölle ist damit ein Modell, schafft einen Traum- und ein Kunstraum: Das Anderssein ist in der Verbindung möglich. Es ist in einer Zeit universeller Gleichschaltung und warenförmiger Nivellierung ebenso Utopie wie angsteinflössende Fremdheit.
Im nicht theatralen, alltäglichen Raum, z.B. auf der Straße, ist nur ein enges Bewegungsmuster erlaubt, genügen schon kleinste Abweichungen, um aus der Norm zu fallen. Gegen diesen Druck hat sich die Gesellschaft immer viele Nischen geschaffen, in denen ungewöhnliche Bewegungen und Verhalten anderer Art erlaubt sind. Nach Michel Foucault stellen solche Heterotope einen Mikrokosmos der gesellschaftlichen Gesamtheit da. Mal Illusionsraum, mal Kompensationsraum. Solche Pole erzeugen Spannungen. Spannungen, denen wir uns stellen werden, die wir ins Leibliche übertragen werden.
(Andreas Simon)