Mapo-daero (noon) I+II

Sopraninoblockflöte, Schlagzeug


Mapo-daero (noon) I-III

Sopraninoblockflöte, Schlagzeug, Akkordeon

(2012/14)
10 min
Edition Juliane Klein

GEMA-Nr: 14420105-001 (Mapo-daero (noon) I+II)
GEMA-Nr: 14420101-001 (Mapo-daero (noon) I-III)

Aufführungen

  • UA: Gudula Rosa (Blockflöte), Marko Kassl (Akkordeon), Ralf Kurley (Schlagzeug), Musikhochschule Münster, 2014
  • weitere Aufführungen: Detmold, Dortmund, Bielefeld, Köln, Remscheid, Essen, Bonn, Aachen, Düsseldorf, STATIONEN – Neue Musik in NRW 2014

Programmtext

Mapo-daero (noon) I-III

Mapo-daero (noon) I-III ist geprägt durch die Umgebung, in der ich mit der Komposition dieses Stücks begann: mehrere Wochen wohnte ich in einem Appartement im siebten Stock eines Wohnhochhauses in der Innenstadt von Seoul direkt an einer Hauptverkehrsstraße, der Mapo-daero. Tag und Nacht war der Verkehr auf dieser achtspurigen Straße nicht zu überhören. Die Ampel vor dem Haus strukturierte dabei den enormen Verkehrsstrom inklusive mehrere Busslinien und LKWs, die u.a. die unzähligen Baustellen der Stadt bedienten. Eine dieser Großbaustellen lag schräg gegenüber und fügte mit ihren Geräuschen der Klanglandschaft weitere prägnante Klänge und Rhythmen hinzu. Besonders prägnant waren darunter die Trillerpfeifensignalen der Verkehrlotsen für den LKW-Strom, das Abladen der Zerkleinerten Felsen, sowie insbesondere die Hammerschlägen der Baumaschinen, die Fundamente für neue Hochhäuser in den Fels meißelten. Mittags gab es die größte Änderung in dieser Musik, wenn die Baustelle Mittagspause machte, plötzlich alles viel ruhiger war und nur noch die Klänge der Straße zu hören waren. Umgekehrt natürlich das Gleiche nach dem Ende der Mittagspause, wenn in kurzen Abständen sukzessive die verschiedenen Klangaktionen wieder hinzukamen. Statt diesen ganzen Lärm als störend aufzufassen, entschied ich mich dafür, diese Geräusche wie eine polyphone Symphonie hören, die in ihrer Energie und Geschwindigkeit durchaus sinnbildlich für die Stadt Seoul stehen könnte.

Ich begann mit dem Blockflötenpart zu komponieren: „Mapo-daero (noon) I“ für Sopraninoblockflöte kann auch als Solostück aufgeführt werden. (Eigentlich ist es ja kein Solostück, sondern ein Stück zu der „Musik“ dieser Umgebung, die nicht auszublenden war. Diese Musik ist imaginär immer mit dabei.) Freien Platz für meine Musik fand ich oben, in der freien Luft. Die Musik der sehr hoch klingenden Sopraninoblockflöte schwebt über allen diesen Stadtklängen, ist wie eine Widerspiegelung der Klangsymphonie unten aus der Straßenschlucht und schräg gegenüber von der Großbaustelle im freien Himmel. Dort schwebt sie in großer Ruhe voll vibrierender Energie. Man kann diese Musik auch wie eine Übermalung der Stadtklänge verstehen, wie sie z.B. der Maler Gerhard Richter über Fotos machte. Zu diesem Zweck habe ich auch mittags eine Aufnahme der Mapo-daero gemacht, die Rhythmen und Klänge analysiert und die ersten Versionen meiner Komposition darin eingepasst. Nach und nach löste sich die Musik von den konkreten Dauern der Straße und bekam mehr menschliche Perspektiven, geprägt durch mein Zeitempfinden und die Zeit, die bestimmte Spielformen auf der Blockflöte für das Instrument, den Interpreten und die Zuhörer benötigen, um vielleicht so am Ende dem Eindruck von Mapo-daero näher zu sein, als die Originalrhythmen. Eine Open-Air-Aufführung ist aber sicherlich eine interessante Möglichkeit. Der Schlagzeugpart „Mapo-daero (noon) II“ und der Akkordeonpart „Mapo-daero (noon) III“ sind nun weitere Perspektiven oder weitere Schichten von Übermalungen, die sowohl auf die Straße Mapo-daero als auch auf die anderen Musikschichten reagieren. „Mapo-daero (noon) II“ ist auf seine Art vielleicht sogar noch näher an der Straße und spannt so eine Ebene von dieser bis hin zur Musik der Blockflöte.

Wie bei fast allen meinen Stücken gibt es so mehrere Versionen, mehrere Perspektiven zu einer musikalischen Fragestellung. Bei der Simultanaufführung von drei dieser Perspektiven kann sich der einzelne Zuhörer mal der einen, mal der anderen Perspektive zuwenden, hineintauchen, oder das Ganze mit Abstand als Einheit sehen, vielleicht auch neben die Geräuschkulisse einer urbanen Umgebung seiner Erfahrung stellen.
(Peter Gahn)